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Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 05.11.2007
Aktenzeichen: S1 B 252/07
Rechtsgebiete: SGB II, EG, RL 2004/38/EG
Vorschriften:
SGB II § 7 Abs. 1 S. 2 | |
EG Art. 12 | |
EG Art. 18 | |
RL 2004/38/EG Art. 14 Abs. 4 | |
RL 2004/38/EG Art. 24 Abs. 2 |
Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Beschluss
OVG: S1 B 252/07
In dem Rechtsstreit
hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 1. Senat für Sozialgerichtssachen - durch die Richter Stauch, Göbel und Alexy am 05.11.2007 beschlossen:
Tenor:
Die Antragsgegnerin wird unter entsprechender Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen - 2. Kammer für Sozialgerichtssachen - vom 04.Juni 2006 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern darlehnsweise Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II zu gewähren; die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind für die Zeit vom 30. April 2007 bis zum 31. August 2007 in Höhe von siebzig Prozent der gesetzlichen Regelleistung und für die Zeit vom 01. September 2007 bis zum Erlass eines Widerspruchsbescheids, längstens für die Dauer von sechs Monaten, in voller Höhe unter Anrechnung des erzielten Einkommens zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller sind von der Antragsgegnerin zu erstatten; auch insoweit wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts abgeändert.
Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt; ihnen wird Rechtsanwalt ... zur Vertretung beigeordnet.
Gründe:
A.
Die Antragsteller, ein Ehepaar mit zwei Kindern, sind irische Staatsangehörige. Nach ihren eigenen Angaben zogen sie im September 2006 zur Arbeitssuche (Antragsteller zu 1. und 2.) bzw. zum Schulbesuch (Antragstellerinnen zu 3. und 4.) nach Deutschland. Seit November 2006 sind sie im Besitz von Freizügigkeitsbescheinigungen. Sie lebten zunächst bei Verwandten und erwarben im Dezember 2006 ein Reihenhaus (Grundstücksgröße 103,5 qm; Kaufpreis 68.000 Euro). Im Februar 2007 beantragten sie Leistungen nach dem SGB II. Zur Begründung gaben sie an, außer dem Kindergeld hätten sie keine Einkünfte, und ihr Vermögen sei durch den Kauf des Hauses und die Bestreitung des Lebensunterhalts aufgebraucht. Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag mit Bescheid vom 14.02.2007 ab; über den Widerspruch der Antragsteller ist noch nicht entschieden. Ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 30.04.2007 lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 04.06.2007 ab; dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde.
Am 13.08.2007 schlossen die Antragsteller zu 1. und zu 2. Eingliederungsvereinbarungen mit der Antragsgegnerin ab. Zum 01.09.2007 nahm der Antragsteller zu 2. eine selbständige Tätigkeit als Englischlehrer bei einer Sprachschule auf. Aus dieser Tätigkeit erzielte er im September ein Einkommen von insgesamt 812,00 Euro.
B.
Die Beschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
I.
1.
Die Antragsteller haben für die Zeit ab 01.09.2007 einen Anspruch auf (ergänzende) Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II.
Der Antragsteller zu 2. ist unstreitig erwerbsfähiger Hilfebedürftiger im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Sein Aufenthaltsrecht ergibt sich nicht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche, sondern (auch) daraus, dass er einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgeht. Nach § 2 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU sind Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Unionsbürger) freizügigkeitsberechtigt, wenn sie zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sind. Diese Berechtigung folgt aus der Niederlassungsfreiheit in Art. 43 EG. Der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II greift daher nicht ein (vgl. Beschl. des Senats vom 20.04.2007 - S1 B 123/07).
Der Antragsteller zu 2. übt seit dem 01.09.2007 eine selbständige Erwerbstätigkeit aus. Für die Auffassung der Antragsgegnerin, die Erwerbstätigkeit sei nur im September und seitdem nicht mehr ausgeübt worden, so dass ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU nicht mehr bestehe, fehlt jeder Anknüpfungspunkt.
Auch das Aufenthaltsrecht der Antragstellerin zu 1. ergibt sich nicht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche. Es folgt vielmehr (auch) daraus, dass sie Familienangehörige des erwerbstätigen Antragstellers zu 2. ist (§ 3 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU).
Die Antragstellerin zu 1. und die Antragstellerinnen zu 3. und 4. sind leistungsberechtigt, weil sie mit dem Antragsteller zu 2. in einer Bedarfsgemeinschaft leben (§ 7 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 lit. a und Abs. 4 SGB II).
Den Antragstellern sind Leistungen der Grundsicherung zu gewähren, soweit das - zu berücksichtigende - Einkommen des Antragstellers zu 2. und das - gleichfalls zu berücksichtigende - Kindergeld nicht ausreichen, den Lebensunterhalt der Bedarfsgemeinschaft zu sichern. Das Eigentum an dem selbstgenutzten Hausgrundstück ist wegen seiner angemessenen Größe nicht als Vermögen zu berücksichtigen.
2.
Soweit die Antragsteller einen Anspruch auf Leistungen haben, steht ihnen auch ein Anordnungsgrund zur Seite. Sie sind zur Sicherung ihres Lebensunterhalts aktuell auf Hilfe angewiesen. Es reicht jedoch aus, wenn die Hilfe - dem Charakter der einstweiligen Anordnung als vorläufiger Regelung entsprechend - bis zur Entscheidung in der Hauptsache als Darlehn gewährt wird.
II.
Für die Zeit vom 30.04. bis zum 31.08.2007 schließt § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II zwar einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II aus, weil sich das Aufenthaltsrecht der Antragsteller allein aus dem Zweck der Arbeitsuche der Antragsteller zu 1. und 2. ergab. Es ist aber fraglich und im Rahmen dieses Eilverfahrens nicht abschließend zu klären, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen dieser Ausschlusstatbestand auch auf Unionsbürger anzuwenden ist (1.). Über den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist deshalb aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden (2.).
1.
Mit dem Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II hat der Gesetzgeber Art. 24 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 Buchst. b) der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und sich aufzuhalten, umsetzen wollen (vgl. die Begründung in BT-Drs. 16/688, S. 13). Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG schränkt den Anspruch auf Gleichbehandlung der Unionsbürger aus anderen Mitgliedstaaten mit den Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats nach Art. 24 Abs. 1 RL 2004/38/EG ein. Nach ihm ist der Aufnahmemitgliedstaat nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder ggf. während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 Buchst. b) einen Anspruch auf Sozialhilfe zu gewähren.
Die Regelungen der RL 2004/38/EG sind mit der Freizügigkeit der Unionsbürger nach Art. 18 Abs. 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) vereinbar. Das Recht der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, gilt danach nämlich nur vorbehaltlich der in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen. Sie müssen aber - ebenso wie das zu ihrer Umsetzung ergangene nationale Recht des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II - auch an dem Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG gemessen werden. Danach ist unbeschadet besonderer Bestimmungen dieses Vertrages in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.
Die Vereinbarkeit der genannten Regelungen mit Art. 12 EG wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt. Zum Teil wird Art. 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II unter Berufung auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes wegen Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbots als unanwendbar angesehen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 25.04.2007 - L 19 B 116/07 AS ER - InfAuslR 2007, 317; SG Köln, Beschl. v. 13.02.2007 - S 6 AS 30/07 ER - ; Brühl/Schoch, in: LPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, Rn 19 zu § 7; Valgolio, in: Hauck/Noftz <Hg>, SGB II, Rn 30 zu § 7 <Stand 2007>; Schreiber, ZESAR 2006, 423ff); zum Teil wird die Vorschrift angewandt, weil den Entscheidungen des europäischen Richtliniengesetzgebers und des nationalen Gesetzgebers jedenfalls bei der im Eilverfahren gebotenen Interessenabwägung die größere Bedeutung zukomme als der durch "Unschärfen" gekennzeichneten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 15.06.2007 - L 20 B 59/07 AS ER - ; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 02.08.2007 - L 9 AS 447/07 ER - ). Nach Auffassung des beschließenden Senats ist bisher nicht hinreichend geklärt, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Unionsbürger, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, generell von den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende ausgeschlossen werden dürfen. Fraglich ist insbesondere, ob ein zeitlich unbeschränkter Leistungsaus-schluss auch für solche Unionsbürger, die sich ernsthaft um Arbeit bemühen, noch verhältnismäßig ist. In einem Hauptsacheverfahren bedarf es dazu voraussichtlich der Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof nach Art. 234 EG.
a.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) fallen auch Sozialleistungen in den sachlichen Anwendungsbereich des Vertrages, wenn sich der Unionsbürger, der sie beansprucht, in einem anderen Mitgliedstaat aufhält. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Unionsbürger sich auf sein Freizügigkeitsrecht nach Art. 18 EG und dem dazu erlassenen sekundären Gemeinschaftsrecht berufen kann. Es reicht aus, dass der Unionsbürger sich rechtmäßig in dem anderen Mitgliedstaat aufhält (vgl. grundlegend Urt. v. 12.05.1998 in der Rs C-85/96 - Martínez Sala - Slg. 1998, I- 2691, Rn 61 ff.). Maßgebend dafür ist, dass schon die Unionsbürgerschaft als solche den grundlegenden Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten bestimmt; Unionsbürger, die sich in der gleichen Situation befinden, haben unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und unbeschadet der insoweit ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen Anspruch auf die gleiche rechtliche Behandlung (vgl. u. a. Urt. v. 20.09.20001 in der Rs C-184/99 - Grzeczyk - , Slg. 2001, I-6193, Rn 31; Urt. v. 02.10.2003 in der Rs C-148/02 - Garcia Avello - , Slg. 2003, I-11613, Rn 22).
Dementsprechend hat der EuGH in der Rechtssache C-138/02 - Collins - eine Sozialleistung, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaats erleichtern soll und - ähnlich wie die Grundsicherung nach dem SGB II - Arbeitslosengeld und Sozialhilfe ersetzt, dem Gleichbehandlungsgrundsatz unterworfen (Urt. v. 23.03.2004, Slg. 2004, I-2703, Rn 63) . In der Rechtssache C-456/02 - Trojani - hat er entschieden, dass sich ein Unionsbürger, wenn und solange er sich rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, auf das Diskriminierungsverbot berufen und eine für die Angehörigen dieses Mitgliedstaats vorgesehene Sozialhilfeleistung beanspruchen kann, obwohl er nicht freizügigkeitsberechtigt ist (Urt. v. 07.09.2004, Slg. 2004, 7573, Rn 42 ff.). Schließlich hat es der Gerichtshof in der Rechtssache C-209/03 - Bidar - als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot angesehen, dass Unionsbürgern, die sich rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufhalten, eine dort vorgesehene Studienbeihilfe versagt wird, obwohl die Richtlinie 1993/96/EG, aus der sich das Freizügigkeitsrecht der Studenten ergab, einen solchen Anspruch - ähnlich wie die hier einschlägige Regelung in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG - ausdrücklich ausschloss (Urt. v. 15.03.2005 , Slg. 2005, I-2119, Rn 42, 45f.).
b)
Art. 12 Abs. 1 EG enthält aber kein absolutes Differenzierungsverbot. Wie der EuGH schon in der Rechtssache 147/79 - Hochstrass zu der Vorläufernorm des Art. 12 EG (Art. 7 EWGV) ausgeführt hat, stellt das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit lediglich eine besondere Ausformung des allgemeinen Gleichheitssatzes dar. "Danach dürfen vergleichbare Lagen nicht unterschiedlich behandelt werden, soweit eine Differenzierung nicht objektiv gerechtfertigt ist" (Urt. v.16.10.1980, Slg. 1980, 3005, Rn 7). Zwar hat der Gerichtshof diese Rechtsprechung in der Folgezeit zumeist für Fälle der mittelbaren Diskriminierung fortentwickelt; daraus kann aber nicht mit einem Teil der Literatur geschlossen werden, eine solche Rechtfertigung solle auf diese Fälle beschränkt bleiben und im Falle der unmittelbaren Anknüpfung der Ungleichbehandlung an die Staatsangehörigkeit ausscheiden (vgl. zum Streitstand die Nachweise bei von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf <Hg.>, Das Recht der EU, Rn 20ff. zu Art. 12 EGV <Stand Juni 2005>). So hat der Gerichtshof in der bereits zitierten Rechtssache Martínez Sala eine verbotswidrige Diskriminierung unmittelbar aus Gründen der Staatsangehörigkeit lediglich mit der Begründung angenommen, es sei ihm nichts vorgetragen worden, was eine solche Ungleichbehandlung rechtfertigen könne (a. a. O., Rn 64). Eine Unterscheidung kann deshalb grundsätzlich auch dann gerechtfertigt werden, wenn sie unmittelbar an die Staatsangehörigkeit anknüpft.
Die Ungleichbehandlung ist gerechtfertigt, wenn die Differenzierung legitime Zwecke verfolgt und verhältnismäßig ist.
Für die Systeme der sozialen Sicherung gilt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die Mitgliedstaaten zwar grundsätzlich aufgerufen sind, eine gewisse Solidarität mit den Angehörigen anderer Mitgliedstaaten zu zeigen. Gleichwohl verfolgen sie aber ein legitimes Interesse, wenn sie darauf achten, dass die Gewährung von Sozialleistungen an Unionsbürgern aus anderen Mitgliedstaaten nicht zu einer übermäßigen Belastung wird, die Auswirkungen auf das gesamte Niveau dieser Sozialleistungen haben könnte, die der Staat gewähren kann (Rs. C-209/03 - Bidar - , Slg. 2005, I-2119, Rn 56; vgl. in diesem Zusammenhang auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs <zuletzt in der Rs. C-444/05 - Stamatelaki - , Urt. v. 19.04.2007, EuGRZ 2007, 445, Rn 30 m.w.Nwn.>, nach der eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen kann, der eine Beschränkung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen kann). Die Verhinderung einer Zuwanderung in die Systeme sozialer Sicherung ist daher ein legitimes Interesse der Mitgliedstaaten, das grundsätzlich geeignet ist, eine Ungleichbehandlung von Unionsbürgern zu rechtfertigen. Dementsprechend hat es der Gerichtshof schon in der Sache Collins als legitim angesehen, dass der Aufnahmemitgliedstaat eine Beihilfe an Arbeitssuchende aus anderen Mitgliedstaaten erst gewährt, nachdem das Bestehen einer tatsächlichen Verbindung des Arbeitssuchenden mit dem Arbeitsmarkt dieses Mitgliedstaats festgestellt wurde (a. a. O., Rn 69). In der Rechtssache Bidar hat es der Gerichtshof als legitim angesehen, dass die zu Studienzwecken eingereisten Unionsbürger nachgewiesen haben müssen, dass sie sich bis zu einem gewissen Grad in die Gesellschaft des Mitgliedstaats integriert haben (a. a. O., Rn 57), z. B. dadurch, dass sie sich dort eine gewissen Zeit aufgehalten haben (Rn 59). Im Urteil in der Sache Trojani befinden sich zwar keine vergleichbaren Ausführungen; zu ihnen bestand möglicherweise schon deshalb kein Anlass, weil der Kläger des Ausgangsverfahrens sich bereits zwei Jahre berechtigt in dem Mitgliedstaat aufhielt, bevor er dort Sozialhilfe beantragte, und der Mitgliedstaat von der Möglichkeit, seinen Aufenthalt zu beenden, keinen Gebrauch gemacht hatte. In einem solchen Fall kommt der Solidarität des Aufnahmestaats mit dem Unionsbürger aus einem anderen Mitgliedstaat größeres Gewicht zu als in den Fällen, in denen ein Unionsbürger erst zuwandert. Es erscheint daher fraglich, ob zwischen Art. 24 Abs. 2 i. V. m. Art. 14 Abs. 4 Buchst. b) RL 2004/38 und § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II einerseits und der Rechtsprechung des Gerichtshofes zum Diskriminierungsverbot in der Sache Trojani insoweit tatsächlich ein unüberbrückbarer Widerspruch besteht, wie er in der Rechtsprechung und Literatur zum Teil angenommen wird (vgl. außer den bereits genannten Gerichten und Autoren insbes. Hailbronner, JZ 2005, 1138 <1142f.>).
Diese Rechtsprechung begründet durchgreifende Zweifel, ob die ausnahmslose Ausschlussregelung des § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II verhältnismäßig ist. Das Ziel, die Zuwanderung in die Systeme sozialer Sicherung im Interesse von deren Aufrechterhaltung zu begegnen, lässt sich auch durch weniger einschneidende Regelungen erreichen, die nach der Verbindung des arbeitssuchenden Unionsbürgers zum Aufnahmemitgliedstaat differenzieren. In der Sache Collins hat der Gerichtshof auf dieses Kriterium abgestellt und es dadurch als erfüllt angesehen, dass der Unionsbürger während eines angemessenen Zeitraums dort wohnhaft ist und tatsächlich eine Beschäftigung gesucht hat (Rn 70).
Dies gilt jedenfalls in einem Fall wie hier: Die Antragsteller haben nach ihrer Niederlassung in Deutschland im September 2006 zum Zweck der Arbeitssuche ihren Lebensunterhalt zunächst aus eigener Kraft bestritten. Sie haben durch den Erwerb eines selbstgenutzten Wohnhauses dokumentiert, dass sie sich in verfestigter Weise in Deutschland niederlassen wollen. Die Antragstellerinnen zu 3. und 4. gehen in Deutschland zur Schule. Diese Umstände könnten dafür sprechen, dass die Antragsteller jedenfalls im April 2007, als sie den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt haben, die Kriterien einer hinreichenden tatsächlichen Verbindung im Sinne der Collins-Rechtsprechung des EuGH erfüllten und deshalb nicht vom Bezug von Leistungen der Grundsicherung ausgeschlossen werden dürfen. Sowohl die Frage der Verhältnismäßigkeit eines zeitlich unbeschränkten Ausschlusses von Leistungen der Grundsicherung als auch die Kriterien der hinreichenden Verbindung können nur im Hauptsacheverfahren - ggf. nach einer Vorabentscheidung durch den EuGH - entschieden werden.
2.
Über den Erlass einer vorläufigen Regelung ist daher aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei kommt einerseits dem Respekt vor der Entscheidung des Gesetzgebers, der sich auf das sekundäre Gemeinschaftsrecht beruft, große Bedeutung zu. Er steht - ähnlich wie in den Fällen, in denen im Hauptsacheverfahren eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen ist (vgl. dazu BVerfGE 86, 382 <389>) - einer Vorwegnahme der Hauptsache entgegen. Andererseits dienen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens, und diese Sicherstellung ist eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, die aus dem Gebot zum Schutz der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgt (vgl. BVerfG, NVwZ 2005, 927 <928>). Der Senat hält es deshalb - auch unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls, insbesondere auch des in Streit stehenden Zeitrums - für notwendig, dass die Antragsgegnerin den Antragstellern für den streitigen Zeitraum Leistungen der Grundsicherung darlehnsweise gewährt, dabei aber die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auf das zur Sicherung des Existenzminimums Unerlässliche beschränkt. Insoweit ist daher ein Abschlag (zur grundsätzlichen Zulässigkeit eines Abschlags bei Erlass einer einstweiligen Anordnung vgl. BVerfG, NVwZ 2005, 927<928>) in Höhe von 30% vorzunehmen.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG. Prozesskostenhilfe war nach § 73a Abs. 1 SGG i.V. m. §§ 114, 121 Abs. 2 ZPO zu bewilligen.
Ende der Entscheidung
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